Von Neena Bandhari
SYDNEY (IDN) – Obwohl das australische Parlament das im vergangenen Jahr mit Indien geschlossene Atomkooperationsabkommen noch nicht ratifiziert hat, warnen Zivilgesellschaft, Umweltaktivisten und Abrüstungsbefürworter davor, dass ein Verkauf von Uran an Indien einen nuklearen Rüstungswettlauf in der Region auslösen könnte. Australiens guter Ruf als Verfechter atomarer Sicherheitsstrategien geriete damit in Gefahr.
Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) in Australien hat schwerwiegende Bedenken hinsichtlich der in dem Abkommen vorgesehenen laschen Schutzmaßnahmen, der Sicherheitsmängel in indischen Atomkraftwerken und der Auswirkungen dieses Abkommens auf die Vereinbarung zur Nichtverbreitung von Kernwaffen geäußert. Zum ersten Mal würde die australische Regierung Uran an ein Land verkaufen, das das Abkommen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) nicht unterzeichnet habe, erklärte ICAN.
“Der atomare Handel mit Indien zu offenbar weniger strengen Bedingungen, als sie für NPT-Unterzeichnerstaaten gelten (…) untergräbt den Zweck, die Glaubwürdigkeit und den Wert des Abkommens”, sagte Tilman A. Ruff, Gründungsvorsitzender von ICAN. “Die Übereinkunft mit Indien läuft zudem den Verpflichtungen Australiens in der Südpazifischen Atomwaffenfreien Zone (SPNFZ) zuwider. Australien trägt damit zur atomaren Gefahr statt zu einer Lösung des Problems bei.”
Gemäß Artikel IV des SPNFZ-Vertrags, der am 11. Dezember 1986 in Kraft trat, sind die Unterzeichner dazu verpflichtet, weder Ausrüstung noch Material an Länder wie Indien zu liefern, die keine umfassenden Sicherheitsmaßnahmen befolgen.
Zu den Unterzeichnern gehören neben Australien die Cook-Inseln, Fidschi, Kiribati, Nauru, Neuseeland, Niue, Papua-Neuguinea, Samoa, die Salomonen, Tonga, Tuvalu und Vanuatu. Von den fünf Atommächten haben Frankreich und Großbritannien alle drei Protokolle ratifiziert, Russland und China dagegen nur die Protokolle II und III. Das US-Parlament hat keines der drei Protokolle angenommen.
Warnungen vor Rüstungswettlauf in der Region
Nach Einschätzung von Ruff könnte australisches Uran den atomaren Rüstungswettlauf in der Region unter anderem dadurch vorantreiben, dass die Verfügbarkeit des Metalls erhöht wird. Denn Indien sei nicht in der Lage, seine Atompläne mit eigenen Uranvorkommen weiterzuentwickeln.
Der Experte gab außerdem zu bedenken, dass militärische und zivile Operationen in Indien eng miteinander verflochten seien. Überdies gebe es keine effiziente und unabhängige Kontrolle des Atomsektors. Die Sicherheitsmaßnahmen würden nur in extrem eingeschränkter Form umgesetzt und könnten von Indien jederzeit abgewandelt werden. Die substantiellen Beschränkungen der Maßnahmen seien selbst ein Teil des atomaren Risikos.
Die Tatsache, dass Indien einen von Kanada bereitgestellten Reaktor und Treibstoff aus den USA verwendet habe, um das Plutonium für seinen ersten Atomversuch 1974 herzustellen, widerspreche den Zusagen, dass Reaktoren und Plutonium nur für friedliche Zwecke bestimmt seien, erklärte Ruff, der auch stellvertretender Vorsitzender der Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) ist. “Pakistans Reaktion auf die Anbahnung eines nuklearen Handels mit Indien war ebenso alarmierend wie vorhersehbar. Das Land hat seine Produktion spaltbarer Materialien aufgestockt und sein Atomarsenal vergrößert. Dies ist schneller geschehen als in irgendeinem anderen Staat.”
Die Verhandlungen über den Verkauf von Uran an Indien begannen 2006. Im vergangenen Jahr wurde ein Abkommen erzielt. Die Ständige Vertragskommission JSCOT empfahl in einem am 8. September dieses Jahres vorgelegten Bericht eine Ratifizierung des Abkommens. Vor dem Beginn von Uranlieferungen an Indien müsse aber das Sicherheitsproblem in indischen Atomanlagen beseitigt werden. Australien wurde aufgefordert, Indien auf diplomatischem Weg aufzufordern, etwa durch die Unterzeichnung des Atomteststoppabkommens überzeugende Fortschritte bei den Abrüstungsbemühungen nachzuweisen.
Die unabhängige australische Umweltstiftung (ACF) erwartet von Ministerpräsident Malcolm Turnbull, die Vorbehalte gegen seine Pläne ernstzunehmen und das umsichtige Vorgehen zu respektieren, das in dem JSCOT-Report dargelegt wird.
“Wir sind zutiefst darüber besorgt, dass das Uran-Abkommen zwischen Australien und Indien zu höheren Risiken führen wird, insbesondere wegen der anhaltenden und ungelösten Sicherheitsprobleme und der unzureichenden Reglementierung der indischen Atomindustrie”, sagte der ACF-Aktivist Dave Sweeney IDN. 2012 habe der indische Generalrechnungsprüfer vor einem “Unglück von der Größenordnung Fukushimas oder Tschernobyls” gewarnt, sollten die Sicherheitsdefizite nicht beseitigt werden. Wie Sweeney kritisiert, bestehen die in dem Bericht hervorgehobenen Mängel größenteils fort.
Der Experte hält es für immer wahrscheinlicher, dass aufgrund der Lieferung australischen Urans die indischen Arsenale für Atomwaffenprogramme verwendet werden. “Indien weitet sein Nukleararsenal und seine Waffenfähigkeiten aktiv aus, indem es die Kapazitäten zur Anreicherung von Uran aufstockt, besonderes Augenmerk auf Mehrfachraketenwerfer richtet und an der Verbesserung der Raketenausrüstung von U-Booten arbeitet.” Sweeney kritisiert, dass das Abkommen Indiens ‘grünes Licht’ für seine Nuklearambitionen gibt.
Wichtiger Uranexporteur
Australien verfügt über 40 Prozent der weltweiten Uranreserven und ist ein wichtiger Uranexporteur. Ein Großteil des australischen Urans wird seit mehr als drei Jahrzehnten in Mirarr im ‘Northern Territory’ gewonnen. Vertreter der in der Region lebenden Ureinwohner äußerten sich ebenfalls darüber beunruhigt, dass ausgeführtes Uran für Atomwaffen verwendet werden könnte.
Das Uran-Abkommen könnte Australien aus offizieller Sicht allerdings auch zu höheren Exporten und neuen Arbeitsplätzen verhelfen. Die möglichen Einkünfte aus den Uranausfuhren werden auf umgerechnet etwa 1,27 Milliarden US-Dollar geschätzt. Zudem könnten dadurch ungefähr 4.000 Jobs entstehen. Jim Green von der Umweltorganisation ‘Friends of the Earth Australia’ rechnet hingegen nur mit einem dreiprozentigen Anstieg der Exporteinnahmen durch die Urangeschäfte. (Deutsche Übersetzung: Corina Kolbe| 03.11.2015)
Bild: Ranger-Uranmine im Kakadu Nationalpark in Australien – Quelle: Stephen Codrington – Wikimedia Commons